Vorwort von Lisa Marie Binder
Alles ist Illusion, so weiß es der buddhistische Dharma. Bevor während des Lesens der folgenden Seiten der Eindruck entsteht, das Buch erhebe Anspruch auf die Verkündigung vollkommener Wahrheit, möchte ich meinen Antrieb offenlegen, der mich zur Verfassung dieses Buchs gedrängt hat. Wir alle unterliegen Illusionen – kein Politiker, Pfarrer, noch der Schriftsteller und Wahrheitssuchende sind vor ihnen gefeit. Die Suche nach der Erkenntnis der absoluten Wahrheit also, wird zu Lebzeiten eine Hoffnung bleiben. Sie lagert in den Schubfächern des lieben Gotts. Oder für die weniger Frömmigen unter Ihnen: in den Schubfächern einer Instanz mit absolutem Überblick über Wahr und Falsch. Dem Dharma entsprechend gibt es sie also schon, die absolute Wahrheit. Nur kann ich sie als Normalsterblicher eben leider nicht erkennen; seltene Ausnahmefälle ausgenommen, in denen sich ein Spalt im Kontinuum öffnet und ein „lucidum intervallum“ unseren Geist jäh erhellt. Somit ist meine Abhandlung zwar ein Angebot, sich meiner relativen Wahrheit zu nähern, aber auch nicht mehr. Die Erkenntnis der Relativität meines Schauens auf die Welt allerdings – und all Ihren Schauens auf die Welt – ist geeignet, einen völlig neuen Blick auf alles zu ermöglichen, was wir kennen. Vergegenwärtigen wir uns für nur einen kurzen Moment des Doppelspaltversuchs, der den Welle-Teilchen-Dualismus und später das Prinzip der Nicht-Lokalität, als eines der wichtigsten Prinzipien der Quantenphysik hervorgebracht hat: Der Untersuchungsgegenstand ist abhängig vom Betrachtenden. Was auch immer der Untersuchende in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand tut oder denkt, erzeugt eine Wirkung auf den Untersuchungsgegenstand selbst. Es traf die theoretische Physik hart, tat aber dem Faktum des Ergebnisses aus diesem reproduzierbaren Versuch keinen Abbruch. Was heißt das? Es heißt, ganz einfach: der Dharma hat recht. So lange wir als Menschen unterwegs sind, beeinflussen wir den Untersuchungsgegenstand zwangsläufig. Damit wird endlich klar, weshalb mein Buch zwar seine Berechtigung hat, denn: meine Meinung ist gut begründbar, wie Sie auf den folgenden vielen Seiten nachvollziehen können; dass die Untersuchung des gleichen Themas durch einen Kollegen jedoch ein anderes Ergebnis zutage brächte, liegt in der menschlichen Natur begründet. Was ich hier sage, ist also wahr. Genau so wahr ist aber das Gegenteil.
Wenn jede Behauptung irgendeines zwar wahren Inhalts ganz und gar relativ und damit scheinbar zwecklos ist und mein Antrieb also nicht im Erkennen der absoluten Wahrheit bestanden hat, worin denn dann? Mein Antrieb war es, Klarheit herzustellen. Klarheit im Denken, die eine Möglichkeit der Betrachtung liefert und uns aus dem Dickicht unserer subjektiven Eindrücke herausführen kann. In einem konkreteren Sinne bestand er darin, zu zeigen, dass der Faschismus in unserer Zeit begründbar ist. Es ist nicht der italienische Faschismus und er trägt auch keinen Schnauzbart. Er zeigt sich solidarisch dieses Mal und hängt der Idee der Unsterblichkeit nach. Das sind neue Gewänder, in die er sich schmiegt. Er ist allerdings nicht nur begründbar, er geht in seiner Essenz über historisch bekannte Formen von Faschismus hinaus. Zur Streitfrage nach dem möglichen Unterschied zwischen Totalitarismus und Faschismus habe ich eine entschiedene Meinung ausgeprägt. Sie wird evident, wenn die Notwendigkeit einer neuen Faschismus-Definition nachvollzogen wird – die ich auf Basis meiner Untersuchungen entwickelt habe. Zu ihrer Betrachtung und einer lebendigen Auseinandersetzung möchte ich höflich anregen. Der Faschismus ist nicht generisch, sondern aufgrund seines fanatisch-totalitären Wesens vielmehr geeignet, lang gehütete Übereinkünfte menschlicher Ethik in brutalster Weise zu untergraben. Sein Wesen endlich zu erkennen, war selten wichtiger als heute!
Zeigen Sie meine Thesen dem argumentatorischen Widersacher und er wird Ihnen mit seinen Thesen begründen, dass der Faschismus sich erledigt hat. Fingieren wir, Umberto Ecco lebte noch und er argumentiert Sie zum neuen Faschisten. All dies ist möglich und hat im Universum seine Ordnung. Ich strebte die Klarheit an, sich für eine der möglichen Positionen entscheiden zu können, ohne sich selbst dem Vorwurf mangelnder Auseinandersetzung bezichtigen zu müssen. Klarheit im Geiste schafft uns Freiheit, denn sie vermag Ängste zu beseitigen. Wer seine Möglichkeiten kennt, kann mit gut gewählter Entfernung auf die Dinge schauen, die da vor ihm liegen. Diese Distanz, die nicht Unbeteiligtheit meint, schafft Ruhe und schließlich Frieden im Innen. Diesen aber haben wir sehr nötig.
Anstrengungen gegen das Leben
Es gibt massive Anstrengungen höchst einflussreicher Kreise, unser Leben, wie wir es noch kennen und schätzen, umwälzend zu verändern. Sie betreffen den Kern unserer Existenz. Sie können als Angriff verstanden werden, denen man eine Angriffsfläche bieten kann oder nicht. Es macht Sinn, um diesen Angriff zu wissen und ihm wohlweislich die Stirn zu bieten, auch, in dem wir unseren Fokus schließlich auf das richten, das wir fördern und wollen. Das gefährliche Momentum dieser Anstrengungen liegt darin, dass dieser Angriff auf die Menschlichkeit maskiert daherkommt. Die zugrundeliegende Nicht-Ethik der Verdrehung aller kulturellen Schätze der Menschheit konnte sich in das gesellschaftliche Gefüge einschleichen. Nichts wäre törichter, als den Urhebern dieses Angriffs Kleingeistigkeit zu unterstellen. Sie sind nur deshalb auf bisheriger Linie so erfolgreich, weil der Mensch im Grunde gut und damit in gewissem Maße schlicht ist. Bar jeder Ethik nutzen sie diesen Umstand gnadenlos aus und implementieren ihre groteske Nicht-Ethik als Solidarität und den Maßstab guten Handelns. So kommt es, dass nicht nur das Verwahrlosen- und versterben lassen unserer Nächsten als Akt der Menschliebe hingestellt werden konnte, den zuvörderst die Kirchen mittrugen, sondern auch der Kern unserer Individuation in den Fokus der Anstrengungen genommen wurde. Wenn schließlich das gemeine Volk „eingesehen“ haben sollte, dass keine biologischen Urgesetze existierten und selbst das Basalste unserer menschlichen Herkunft einerseits divers und schließlich optional sei, droht der Funken göttlichen Lichts in uns getilgt zu werden.
Dies gilt es zu vermeiden. Vermeidung gelingt in einem ersten Schritt in der Erkenntnis und der Integration dessen, was ist. In einem zweiten Schritt über eine aus Erkenntnis und Integration errungenen Haltung, die mit wachsender Sicherheit nach außen gefestigt und verteidigt wird. Wenn aus vielen, individuellen lebensförderlichen Haltungen eine kollektive Haltung für die Menschheit und das Leben gewonnen werden kann, wird das Unmenschliche eingedämmt und darf seinen, in der Polarität dieser Welt, notwendigen Raum einnehmen. Es dominiert uns aber nicht mehr. Ich rufe heute dazu auf, zu einer neuen, gefestigten Haltung zurück zu finden, die einer wahren Ethik gerecht wird. Wir werden den Schatten dieser Zeit hinter uns lassen, wenn wir unsere Masken endlich ablegen und die Lieder anstimmen, die unsere Ahnen uns hinterlassen haben. Bis dorthin könnte es noch einige Anstrengungen benötigen. Doch sie sind es wert!
Der Weg zum Buch
Im Dezember 2019 schrieb ich das erste Mal an einem Buch für Eltern, die „Windelfrei“ mit ihren Kindern erlernen wollten. Neugeborene nämlich kommunizieren ihre Ausscheidungsbedürfnisse und legen Wert darauf, von ihren Eltern verstanden zu werden. Windeln sind zwar praktisch für Eltern, Neugeborene bräuchten sie aber eher nicht. Kurz vor dem damaligen Weihnachtsfest betrat eine junge Frau das alte Geburtshaus in München, in dem ich damals, vor der Einführung restriktiver Maßnahmen, noch glücklich arbeiten durfte. Sie kam mit ihrem Mann und einem Christbaum unter dem Arm. Als ich ihr zur Begrüßung die Hand reichte – mittlerweile zum Erkennungszeichen der Widerständigen oder Ignoranten geworden – wurde klar, dass sie zwar beinahe gehörlos, doch trotzdem ohne Widerrede gewillt war, den Inhalt meiner Unterrichtungen vernehmen zu wollen. Wie das gelingen sollte, wurde zu meiner Herausforderung. Im Laufe der Stunden wurde mir klar, dass meine Aufgabe wichtig genug war, um mich an die Schriftstellerei zu machen. Doch meine Motivation litt bald. Obwohl es meine Überzeugung war, dass Ausscheidungskommunikation ein Schlüssel zum Frieden auf dieser Welt sei, weil verstandene und gesehene Kinder zu Erwachsenen heranreifen, die ihre Bedürfnisse und damit sich selbst kennen und ich entsprechende Vorträge mit dem scheinbar hoch gegriffenen Titel „Windelfrei zur Weltrettung“ in München gehalten habe, erschien mir der Bezugsrahmen global betrachtet, schlichtweg zu unbedeutend. Damals gelang es mir nicht, den Wahrheitsgehalt dieser These aufzuzeigen, ohne den Bogen an Ertragbarem zu überspannen. Doch das Weltgeschehen kam mir entgegen. Windelfrei ist nicht mehr und nicht weniger, als eine Metapher.
Ende 2021 keimte dieses Buch. Mittlerweile kündet der Kalender vom unmittelbar bevorstehenden Sommer 2024. Über zwei Jahre des Ausnahmezustands liegen hinter uns. Mit verhältnismäßig wenig Aufwand ließ sich erschließen, dass dieser politisch bedingt war und nicht das Ergebnis widriger Launen der Natur. Unsere Politik entschloss sich zu einem Kurs, den die Bundesrepublik bis dato nicht gesehen hatte. Beinahe die gesamte Verfassung wurde auf eine Weise beschränkt, die möglicherweise mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar sein könnte und ließ dabei von eben diesem wenig übrig. Nicht wenigen Zeitgenossen dämmerte, dass die in unserem Land stolz und in Abgrenzung gegenüber hauptsächlich östlicheren oder auch südlicheren Staaten bedeutungsschwer verteidigte Demokratie, möglicherweise nicht so unbefleckt regierte, wie sie es für selbstverständlich gehalten haben.
Zwei Jahre lang tat ich alles, was mir sinnvoll und einigermaßen aussichtsreich erschien, um meinen Beitrag zur Beendigung des vermuteten neuen Unrechtssystems zu leisten, Begeisterung für das eigene Leben zu wecken und an einer neuen Welt für uns und unsere Kinder mitzuwirken. In all meinen geleisteten Beiträgen kam ich immer wieder auf den Punkt zurück, dass die Wurzel allen Unrechts das geschieht, doch damit auch der Samen für alles Licht, das in die Welt strahlen möchte, in unseren Händen und unseren Schößen liegt. Wenn wir heute verhindern wollen, dass vermutetes und im Folgenden zu prüfendes Unrecht sich noch einmal so himmelschreiend und bleiern über uns legt, wie nun schon wieder, so haben wir alles uns Mögliche daran zu setzen, unseren Kindern ein Aufwachsen zu ermöglichen, das ihnen würdig ist. Dies ist die Art und Weise geboren und geliebt zu werden, wie Urvölker dieser Erde das Leben immer noch beginnen. Es scheint, als sei uns Menschheit das Wissen um die Wichtigkeit dieses Schatzes nicht als bloßer Zufall abhandengekommen. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass Interessen daran bestehen, die Menschen von ihren Wurzeln abzutrennen. Das Ergebnis ist Haltlosigkeit im Innen, gefolgt von der Empfänglichkeit für Totalitarismus.
Wie jede totalitäre Herrschaftsform wenigstens in einer Rückschau die Frage stellt, „wie das alles möglich wurde“, verlangen die Menschen auch heute nach Erklärungen. Sie sind geeignet, ihnen ein Stück weit über den Verlust von Freundschaften und Familienbanden hinweg zu helfen. Aus meiner Sicht gibt es zu dieser Frage klare Antworten. So wie jede Krise das Potential birgt, nicht nur unsere eigenen Überzeugungen zutage zu befördern, sondern auch Transformationen einzuleiten, wurde mir bewusst, wie radikal ich mich den Werten Freiheit und Würde verpflichtet fühle. Ich persönlich bin dazu bereit, das zu tun, was ich vor mir selbst vertreten kann. Im Umkehrschluss bin ich nicht bereit, auch nur einen Zentimeter von denjenigen Werten abzurücken, die zu meinem ethischen Kompass gehören. Dies machte einerseits ein anderes Leben notwendig, als das Kollektiv es offenbar leben möchte, zeigte andererseits alleine durch die tatsächliche Möglichkeit, nicht am Unrecht teilzunehmen, welches die entscheidenden Werkzeuge und Werte waren, die verhindern hätten können, dass die Menschheit ein weiteres Mal – und dies zudem in beinahe pandemischem Ausmaß – ihrem dunkelsten Schatten zum Opfer fiel. Die Zeit schien mir zunächst reif, den Gedanken hinter Windelfrei, der sich im Ganzen auf die Würde und damit Freiheit des Menschen bezieht, in einen Bezug zu unserer Welt zu setzen. Ursprünglich sollte er in diesem Buch ausgeführt werden. Die Notwendigkeit der Breite der Analyse des Ist-Zustands, der der peinlichen Sorgfalt geschuldet ist, die mir in diesem Unterfangen angemessen erschien, verlangt die Auslagerung des Teils „Möglichkeiten von Prävention und Heilungsansätzen künftiger Systeme“ in einen weiteren Band. Sie lesen in diesem Buch meine Anamnese und Diagnosestellung des Zustands des „Patienten Deutschland“, nach März 2020.